Im ersten Teil der Tragödie wollte Dr. Faust damals ja unbedingt herausfinden, was die Welt
Im Innersten zusammenhält
und ist dafür auch nicht vor einem Pakt mit dem Teufel zurückgeschreckt. Ob sich auch Daniel Scheeres und seine Kollegen von der Universität von Colorado mit dem Leibhaftigen zusammengetan haben, weiß ich nicht – aber sie haben herausgefunden, was die Asteroiden zusammenhält. Und das ist nicht die Gravitationskraft, wie man vielleicht glauben würde…

Bevor wir über Asteroiden reden, sollten wir zuerst über die Planetenentstehung reden. Denn früher mal gab es nur Staub und Gas und beides bewegte sich in einer Scheibe um die Sonne. Ludmila hat schön erklärt, wie daraus dann die Planeten entstanden sind.

Die ganz kurze Version: die Staubkörner haben sich zu immer größeren Objekten zusammengeballt, bis irgendwann Planetoiden entstanden sind. Die sind dann weiter miteinandern kollidiert und haben die ersten Protoplaneten gebildet. Aber nicht alle Planetoiden sind „aufgebraucht“ worden. Diejenigen, die bei der Planetenentstehung nicht benutzt wurden, kennen wir heute als Asteroiden.

Wenn diese Asteroiden groß genug sind, dann ähneln sie aus physikalischer Sicht eher den Planeten (die ganz großen Asteroiden wie Pluto oder Ceres werden deswegen ja auch „Zwergplaneten“ genannt). Und sie werden – so wie bei den Planeten – durch die Gravitationskraft zusammengehalten. Aber bei den kleineren Objekten ist das nicht so.

Hier geht man davon aus, dass es sich eher um lose Ansammlungen von größeren und kleineren Brocken handelt – sogenannten „rubble piles“ bzw „Trümmerhaufen“. Das sieht man wunderschön am Asteroiden Itokawa der 2005 von der japanischen Raumsonde Hayabusa besucht wurde (man ist damals sogar auf dem Asteroiden gelandet und hat Bodenproben genommen die nun wieder zurück zur Erde geflogen werden). Auf diesem Bild sieht man schön, wie der kleine Asteroid (etwa 500 x 300 x 200 Meter groß) sich aus vielen einzelnen Brocken zusammensetzt:

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Hier ist nochmal eine Nahaufname:

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Nun stehen diese Asteroiden aber nicht still, sondern sie drehen sich wie alle Himmelskörper um ihre Achse. Manche sind dabei wirklich schnell und brauchen für ein Umdrehung nur ein paar Stunden. Dadurch wirkt eine Zentripetalkraft auf die einzelnen Brocken und wenn die Drehung schnell genug ist, sollten die kleinen Brocken „abfallen“ und ins All entkommen. Aber wie man am Beispiel von Itokawa sieht, sind dort noch jede Menge kleine Brocken vorhanden. Die Landung hat auch gezeigt, dass der Asteroid im wesentlichen eine Ansammlung von kleinen Brocken und Staub ist.

Was hält die Asteroiden also zusammen? Diese Fragen haben sich Daniel Scheeres und seine Kollegen von den Universitäten in Colorado und Nottingham gestellt und ein komplett neues Modell für kleine Asteroiden entwickelt. Kürzlich ist ihre extrem umfangreiche Arbeit Scaling forces to asteroid surfaces: The role of cohesion bei arXiv erschienen. Darin fassen die Autoren zuerst nocheinmal die Beobachtungsdaten zusammen und stellen klar, dass die Oberflächen der kleinen Asteroiden von losem Regolith dominiert wird. Und wenn man wissen will, wie sich diese kleinen Staubteilchen verhalten, dann darf man nicht nur die Gravitation betrachten sondern muss auch andere Kräfte in Betracht ziehen.

Dazu haben die Forscher ein detailliertes Modell entwickelt und die relativen Stärken der verschiedensten Kräfte untersucht. Dazu haben sie zuerst einmal geschaut, wie groß die Beschleunigungskräfte an der Oberfläche eines Asteroiden sind. Im Gegensatz zur Erde (und anderen Planeten) sind die nämlich nicht überall gleich groß sondern können stark varieren. Das sieht man in diesem Bild recht gut – es zeigt den Hauptkörper des Doppelasteroiden 1999 KW4 und die Farben geben die unterschiedliche Stärke der Oberflächenbeschleunigung an unterschiedlichen Orten an:

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Nun wurden der Reihe nach die verschiedenen Kräfte analysiert, die auf die Staubteilchen und kleinen Brocken wirken können. Neben der Kräfte die durch Gravitation und Rotation entstehen, sind die folgenden von Bedeutung:

Die Festkörperreibung: das ist die Kraft, die zwischen zwei sich berührenden Festkörpern auftritt und von einem materialabhängigen Reibungskoeffizienten und der Normalkraft abhängt.

Die Eigengravitation: man darf bei so kleinen Skalen nicht nur das gesamte Gravitationspotential in Betracht ziehen sondern muss auch die Gravitationskraft berücksichtigen, die direkt zwischen den einzelnen kleinen Teilchen wirkt.

Elektrostatische Kräfte: Djurch den photoelektrischen Effekt können Elektronen aus der Asteroidenoberfläche herausgeschlagen werden; durch den Sonnenwind treffen Elektronen auf der Oberfläche auf. Das führt zu einem räumlich und zeitlich variablen elektrischen Feld, das berücksichtigt werden muß. Den kleine Staubkörner, die elektrostatisch aufgeladen sind, können dann mit diesem Feld wechselwirken und eine Kraft erfahren. So einen „schwebenden Staub“ hat man vermutlich schon auf dem Mond beobachtet. Die Apollo-Astronauten (aber auch Teleskope auf der Erde) haben immer wieder seltsame Lichtphänomen gesehen, die auf genau diesen schwebenden Staub zurückgeführt werden können.

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Die Sonnenstrahlung selbst übt einen Strahlungsdruck aus – die Photonen des Lichts treffen auf die Staubteilchen und üben eine Kraft aus. Diese Kraft kann oft so stark sein, dass Staubteilchen dadurch direkt aus der Oberfläche „herausgeschlagen“ werden und die gravitativen Anziehungskraft überwinden.

Dann gibt es noch die Van-der-Waals-Kräfte – das ist die Kraft, die direkt zwischen den Atomen bzw. Molekülen wirkt. Die kann an der Oberfläche eines Asteroiden sogar stärker wirken als zwischen vergleichbaren Teilchen auf der Erde weil das Vakuum des Alls besonders „sauber“ ist und sich die Teilchen besonders nahe kommen können.

Für all diese Kräfte haben Scheeres und seine Kollegen nun berechnet, wie stark sie sich auf Teilchen verschiedener Größenordnungen auswirken würden:

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Man sieht in diesem Bild schon recht gut, dass die Van-der-Waals-Kräfte bei kleinen Teilchen dominieren. Hier sind sie stärker als die übrigen Kräfte (die verschiedenen Werte für „S“ im Diagramm bei den Van-der-Waals-Kräften entsprechen verschiedenen „Sauberkeiten“ der Oberfläche). Man sieht auch, dass der Strahlungsdruck (die hellblaue Linie – „SRP“) bei fast allen Teilchengrößen geringer ist als die Van-der-Waals-Kraft.

Die kleinen Partikel der kleinen Asteroiden scheinen also tatsächlich hauptsächlich von der Van-der-Waals-Kraft zusammengehalten zu werden!

Scheeres und seine Kollegen haben auch den sogenannten YORP-Effekt in ihre Überlegungen mit einbezogen. Das „YORP“ steht für die Nachnahmen der Entdecker dieses Phänomens: Yarkovsky-O’Keefe-Radzievskii-Paddack. Der YORP-Effekt äußert sich in einer Veränderung der Rotationsgeschwindigkeit eines Asteroiden bei Sonneneinstrahlung. Denn die Wärme wird unterschiedlich stark abgestrahlt; je nachdem wie die lokalen Bedingungen an der Oberfläche sind. Durch die abgestrahlte Wärme wirkt aber auch eine Kraft (es werden ja Photonen abgestrahlt) und wenn die Kräfte an unterschiedlichen Punkten der Oberfläche unterschiedlich stark sind, dann ändert das die Rotationsperiode eines Asteroiden.

Geht man nun davon aus, dass die Asteroiden aus einer losen Ansammlung von großen und kleinen Brocken bestehen, dann kann sich der YORP-Effekt folgendermaßen auswirken: Unter dem YORP-Effekt kann sich die Rotationsgeschwindigkeit erhöhen. Durch die dann stärker wirkenden Zentripetalkräfte wirft der Asteroid erstmal die großen Brocken ins All (so entstehen vermutlich auch die Asteroidenmonde und Doppelasteroiden). Das geht so weiter – nur die kleinen Teilchen bleiben übrig die dank der Van-der-Waals-Kraft stark genug zusammenhalten.

Große Brocken werden also eher verloren als kleine – die Asteroiden sollten sich im Laufe der Zeit deswegen immer weiter aufspalten wobei die einzelnen großen Bruchstücken vom kleinen, „zusammenklebenden“ Regolith bedeckt sind.

Das sind interessante Thesen – die man sicherlich nun in die Modelle zur Größenverteilung der Asteroiden einarbeiten wird! Der Artikel enthält noch viel mehr interessante Infos (er hat 54 Seiten!) – es scheint, dass sich in Zukunft einiges an unserem Bild der kleinen Asteroiden ändern wird!

14 Gedanken zu „Van-der-Waals-Kräfte halten die Asteroiden zusammen!“
  1. Ist schon erstaunlich, an welch unerwarteten Orten solch alte Bekannte zu neuen Ehren kommen..

    „Kürzlich“ ist gut – vor 4 Tagen eingereicht; und bis jetzt bist Du der einzige velinkende blogger 😉

  2. Ich muss mal meine Aufzeichnungen durchsuchen, aber wir hatten mal ne Rechnung angestellt, wie groß die Masse eines Protons sein müsste, damit die Gravitationskraft die Abstoßng der positiven Ladungen ausgleicht..

  3. Mal ne Frage,

    wenn diese Objekte aus „losen“ Teilen bestehen, warum sind sie dann so unregelmäßig geformt?
    Ich würde erwarten, dass diese Objekte im Laufe der Zeit eine Kugelform annehmen würden…

  4. @Schlotti: Eben WEIL die aus losen Teilen bestehen (und so klein) sind, sind sie unregelmäßig geformt. Nur die großen Objekte entwickeln im Laufe der Zeit unter ihrer eigenen Gravitation eine Kugelform (das ist ja eines der Hauptkriterien, das (Zwerg)Planeten von Asteroiden unterscheidet). Man sieht ja auch im Bild im Artikel, dass die Eigengravitation hier viel schwächer als die Van-der-Waals-Kraft ist. Das Ding bleibt also unregelmäßig 😉

  5. Ich glaub, ich ahne, was Schlotti meint: auch durch Kohäsion wird eine Kugelgestalt angestrebt (siehe Wassertropfen in der Schwerelosigkeit), weil dann die Oberfläche bei gegebenem Volumen möglichst klein ist. Eigenrotation kann dann zwar die Kugelgestalt verzerren, aber auch eine Linse (Extremfall) ist in gewisser Weise regelmäßig.

  6. @Schlotti: Naja – es kommt halt immer drauf an, wie stark die jeweiligen Kräfte sind und was da noch alles wirkt. Ein Wassertropfen muss ja z.B. keine Festkörperreibung überwinden….

  7. Mal ein vielleicht recht abwegige Frage, die mir beim lesen des Artikels als absoluter Laie aufkam.

    Können solche Erkenntnisse zukünftig auch dazu führen Raumstationen oder Raumschiffe für Planetare Flüge komplett anders zu Konstruieren? So in Bezug auf Größe, Materialmenge (Masse), „Zusammenbau“, etc.

  8. @Stefan Hambach

    So Richtung Self-Assembly mittels VDW-Kräfte? Wage ich zu bezweifeln, denn solche Asteroiden sind nicht gerade stabil. Das ist einfach ein Haufen Krümel, die (wie man ja schon an den „verschütteten“ Kratern auf der Oberfläche sieht) gerade mal so zusammenpappen.

  9. Mich würde mal interessieren ob nicht auch Magnetismus eine Rolle spielen könnte. Wenn ich mir die Reihe der Meteoriten so ansehe, sind diese, bis auf wenige Ausnahmen, doch relativ eisenhaltig. Wenn man von den reinen Steinmeteoriten absieht, könnte ich mir vorstellen, dass elektrostatische Kräfte, Reibung etc. zumindest zu einer leichten Magnetisierung des Materials führen könnten und so einen Zusammenhalt an sich.

  10. @friedel, interessanter gedanke, klar müsste man zuerst schauen ob und welche magnetischen felder das eisen magnetisiert haben könnten (weil von alleine wird das nichts) aber dann könnte das irgendwie evt. doch einen einfluss haben, immerhin wurde sogar YORP mit berücksichtig

    abgesehen davon interessant das die dinger dazu neigen sich langfristig, kollisionfrei zu zerlegen =D

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